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07-06-2022

Den Begriff Nachhaltigkeit aus der Kommunikation streichen

Den Begriff Nachhaltigkeit aus der Kommunikation streichen - Den Begriff Nachhaltigkeit aus der Kommunikation streichen

Die Begriffe „Nachhaltigkeit“ und „Fair“ sind Sinn entleerte und überstrapazierte Begriffe, die eigentlich aus der gesamten Marketing-Kommunikation gestrichen gehören. Die letzten Wochen haben dies noch einmal deutlich gezeigt. 

In Zeiten komplexer Herausforderungen und großer Unsicherheiten ist der Wunsch nach einfachen Antworten groß. Überall wird Nachhaltigkeit und Fairness versprochen. Das gilt auch für die Textilindustrie - aber nicht nur. Für die Textilindustrie aber gilt, dass es keine einfachen Antworten gibt, auch wenn man diese gerne hören möchte. Eine Erfahrung, die auch wir in den letzten fünf Jahren unseres Firmenbestehens machen mussten. 
Als wir KAYA&KATO gründeten, hat uns Yvon Choinard, der Gründer des Unternehmens Patagonia, wegweisend geleitet. Für den Gründer und das Unternehmen ist klar, dass sein Tun negative Auswirkungen in der Welt hat und dass die Prämisse sein muss, diese negativen Auswirkungen auf ein Minimum zu reduzieren. Dies ist der Fixpunkt des täglichen Wirtschaftens. Die große Herausforderung ist dabei, dennoch im Wettbewerb bestehen zu können. Also muss man in einem äußerst komplexen System immer wieder den richtigen Ausgleich zwischen beiden Herausforderungen finden.

Diese Prämisse leitet auch unser Handeln. Im Gegensatz zu Patagonia bewegt sich KAYA&KATO nicht in einem Umfeld naturverbundener Outdoor-Sportler, sondern in einem Segment in dem Geschäftskunden unsere Produkte für ihre Hotels, Restaurants oder Pflegeeinrichtungen kaufen. Alles durchweg Branchen, die unter einem extrem hohen Kostendruck stehen. Darüber hinaus müssen unsere Produkte lange halten. Wenn sie beispielsweise in einem System des Leasings an Kunden gehen, muss die Lebensdauer mindestens drei bis vier Jahre betragen. Eine große Herausforderung, aber auch ein erfrischender Gegenentwurf zu Fast Fashion. 

Als wir 2017 operativ starteten, taten wir das sehr naiv mit Produkten aus 100% Biobaumwolle aus Uganda. Die Produkte haben eine hohe Qualität, und die ersten Schürzen, die wir an eine Weinbar in Köln auslieferten, sind tatsächlich auch heute noch nach sieben Jahren im Einsatz. Nicht mehr ganz so schön - und etwas versteckt in der Küche - aber immerhin. 

Wir wurden schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, denn sobald unsere Produkte in die Industriewäsche kamen, waren sie innerhalb kürzester Zeit ruiniert. Die Textilleasing-Industrie und die damit verbundene Industriewäsche war und ist ausschließlich auf Mischgewebe ausgerichtet. Und sie dominiert mit ihren Serviceleistungen die Hotel- und Pflegebranche. Um in unserem Marktsegment bestehen zu können, mussten wir ebenfalls Mischgewebe in unser Programm aufnehmen - und das möglichst in einer neuen Form. 

Mischgewebe sind per se nicht nachhaltig. Das heißt, wenn Baumwolle und Polyester einmal zusammengebracht wurde, ist es nicht mehr zu trennen. Es kann nicht recycelt werden. Aber dafür halten die Produkte drei bis vier Jahre höchsten Beanspruchungen stand. In der Mode absolut undenkbar und auch gar nicht gewollt. Um eine Alternative zu den gängigen Marktlösungen zu haben, setzten wir auf recyceltes Polyester. Aber auch das war schwierig. Denn auch recyceltes Polyester verbesserte sich erst über die letzten Jahre hinweg so, dass es in den Waschstraßen der Industriewäsche bestehen kann. Geduld, Beharrlichkeit und starke Nerven waren gefragt.

Ebenso war Beharrlichkeit bei Baumwolle gefragt. Bis heute ist es nicht möglich, Produkte aus recycelter Baumwolle herzustellen, die in den Waschstraßen bestehen würden. Aber auch Garne aus Biobaumwolle aus Uganda in unsere Mischgewebe einzubringen, war ein langer und harter Weg. Unser Stoffhersteller kauft die Garne zu und argumentiert, dass er seine Zulieferer nicht dazu zwingen könne, unsere Baumwolle zu nehmen. In diesem Jahr haben wir nun eine Möglichkeit gefunden, dass unsere Garne in die Mischgewebe aufgenommen werden. Ein Prozess, der fast zwei Jahre gedauert hat. Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, der zeigt, dass es keine schnellen oder gar perfekten Lösungen in der Textilindustrie gibt. Um Veränderungen zu bewirken, braucht man Geduld, Beharrlichkeit, konstante Partnerschaften und wirtschaftliche Relevanz. Denn erst, wenn man für Partner wirtschaftlich relevant ist, sind sie dazu bereit, einen neuen Weg zu gehen.

Das Bild des „Wegs“, der zurückgelegt werden muss, trifft es gut. Dieser Weg ist nicht gerade, sondern immer wieder mit Hindernissen und Kurven. Auch biegt man eventuell falsch ab und muss zurück. Maßnahmen, die uns heute richtig erscheinen, stellen sich vielleicht in ein paar Jahren als falsch heraus und müssen korrigiert werden. Bereits 1987 stellte die sogenannte Brundtland-Kommission, der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (WCED), in ihrem Konzept der nachhaltigen Entwicklung fest „[…] nachhaltige Entwicklung ist ein andauernder und gesamtgesellschaftlicher Wandlungs- und Gestaltungsprozess. […].“ Es geht um nicht weniger, als um den Umbau der Wirtschaft. Hin zu einer Wirtschaft, die nicht ausschließlich auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist. 

In den letzten zehn bis 15 Jahren hat sich diesbezüglich sehr viel zum Positiven verändert. Die UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung (2005 – 2014) hat weltweit dafür gesorgt, dass Nachhaltigkeit Bestandteil nationaler Bildungssysteme wurde. Dies geschah weitestgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. Die positiven Auswirkungen sind dennoch unübersehbar: die Sensibilität für Nachhaltigkeit - oder nennen wir es verantwortungsbewusstes Handeln - ist in den nachkommenden Generationen stark gestiegen. Die Politik in Deutschland hat sich in den letzten Jahren ambitioniert für die Verbesserungen der Standards in der Textilindustrie eingesetzt. Die Industrie arbeitet intensiv an Recyclingmethoden und Kreisläufen. Und auch eine Szene ambitionierter Start-ups, die tolle Upcycling-Produkte aus Alttextilien herstellen, ist entstanden und wächst kontinuierlich. Textil-Zertifizierungen wie GOTS, GRS, Grüner Knopf oder OEKO-TEX sind zu Gradmessern soliden Arbeitens in der Textilbranche geworden. So betrachtet, ist es überaus bedauerlich, dass einige Wenige durch ihr Handeln die Begriffe Nachhaltigkeit und Fairness konterkarieren und dafür sorgen, dass diese Entwicklungen zunehmend negativ betrachtet werden und nicht mehr mit dem positiven Optimismus und der Ernsthaftigkeit, wie sie es verdienen und wie wir ihn in dieser Zeit so dringend brauchen. 

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